Gutachten: Neuregelung des DWD-Gesetzes verstößt gegen das Grundgesetz

Professor Dr. iur. Christian v. Coelln Universität zu Köln

Thesen zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der geplanten Reform des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst

Die Bundesregierung hat am 18. Januar 2017 auf der Grundlage eines Entwurfs des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eine Vorlage zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst (DWD-Gesetz) beschlossen. Durch die angestrebte Neufassung des DWD-Gesetzes soll der DWD dazu berechtigt werden, Leistungen an die Allgemeinheit zur öffentlichen Verbreitung oder an spezielle Nutzergruppen entgeltfrei abzugeben. Für die privaten Wetterdienstleister, die entsprechende Leistungen derzeit entgeltlich oder werbefinanziert anbieten, hätte das voraussichtlich massive Umsatzeinbußen und den Abbau einer großen Zahl von Arbeitsplätzen zur Folge.

Verfassungsrechtlich bestehen gegen die Zulässigkeit einer derartigen Regelung erhebliche Bedenken:

  • Als Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit der privaten Anbieter ist die Konkurrenz durch den DWD unverhältnismäßig. Es ist bereits unklar, welchem Zweck die Maßnahme dient. Ein Mangel an allgemein zugänglichen und er- schwinglichen Wetterinformationen ist jedenfalls nicht zu beklagen.
  • Unzulässig ist sie auch nach den tendenziell staatsfreundlichen Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts, das die Berufsfreiheit erst für verletzt hält, wenn private Akteure aus dem Markt verdrängt werden und der Staat sich eine (faktische) Monopolstellung verschafft. Eben dies droht durch die Neuregelung zu geschehen: Der DWD wird in die Lage versetzt, private Anbieter zu verdrängen oder zumindest zu marginalisieren. Die geplante Gesetzesänderung ermöglicht dem DWD eine erhebliche Ausweitung seiner schon jetzt zu beobachtenden Aktivitäten, die privaten Konkurrenten keinen Raum zur Entfaltung mehr lässt.
  • Insofern ist namentlich zu berücksichtigen, dass die „Leistungen“, die der DWD in Zukunft entgeltfrei erbringen darf, nicht näher definiert werden. Der Begriff umfasst letztlich jedes denkbare Angebot an die Allgemeinheit und spezielle Nut- zergruppen – bereits vorhandene bzw. zumindest bekannte Angebote ebenso wie in Zukunft neu entwickelte. Anders lässt sich der vorgeschlagene Gesetzestext nicht interpretieren. Einem engeren Verständnis, nach dem nur bestimmte Leistungen gemeint wären, steht das Bestimmtheitsgebot entgegen: Wenn der Gesetzgeber die Entgeltfreiheit nur bestimmter Leistungen gestatten wollte, müsste er dies in hinreichend bestimmter Weise regeln.
  • Besonders gravierend wirkt sich aus, dass der DWD die in Rede stehenden Leistungen vom Inkrafttreten der Neuregelung an vollständig entgeltfrei erbringen darf. Es geht also nicht bloß um anderweitig subventionierte „Kampfpreise“, sondern um das dauerhaft legalisierte „Verschenken“ von Leistungen, das zudem ohne jede Übergangsfrist – die zum Entwickeln neuer Geschäftsmodelle genutzt werden könnte – ermöglicht werden soll.
  • Die Verdrängung der privaten Anbieter lässt sich auch nicht als „systemimmanente“ Verschärfung des Wettbewerbs verstehen. Für die Erstellung der von ihm entgeltfrei abgegebenen Leistungen setzt der DWD u.a. solche Daten ein, die er selbst kostenpflichtig erwirbt. Dazu verwendet er Steuermittel – wozu kein Mitbewerber in der Lage wäre.
  • Zwar ähnelt die Problematik dem Grunde nach dem Streit um die „Tagesschau- App“: Auch hier stellt sich die Frage, in welchem Umfang sich öffentlich- rechtliche Akteure zulasten privater Anbieter betätigen dürfen. Während öffentlich-rechtliche Information im Rundfunk aber verfassungsrechtlich geboten ist, fehlt es – abgesehen von sicherheitsrelevanten Warnungen – im Bereich der Wetterdienstleistungen an einem vergleichbaren Postulat des Grundgesetzes.Alles in allem verstößt die Neuregelung gegen das Grundgesetz.                                                                                                                          Düsseldorf, 26. Januar 2017 (Professor Dr. Christian von Coelln)